KoLBi - Kohärenz in der Lehrer*innenbildung

Inkohärenzen produktiv nutzen. Negative Erfahrungen als Bildungsprozesse

Promotion Bildungsphilosophie und Philosophiedidaktik

Thassilo Polcik, M.Ed., M.A.

Wissenschaftlicher Mitarbeiter

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Zur Person Publikationen und Vorträge

Lehre

Die in diesen und den kommenden Semestern zu erprobenden Lehrformate sollen einen Raum für Kohärenzerfahrungen bieten. Dies ist so zu verstehen, dass den Lernenden Zusammenhänge des Wissens sowie Zusammenhänge zwischen grundsätzlichen Überlegungen über Bildung, ihren Fächern und ihrer Vermittlung aufgehen. Dabei soll einerseits reflektiert werden, was Bildungsprozesse grundsätzlich kennzeichnet, um daraus Konsequenzen für Bedingungen ihrer Ermöglichung wie ihrer Ver- oder Behinderung zu ziehen. Andererseits soll anhand konkreter Gegenstände der Philosophie (beispielsweise der Moralphilosophie Kants) gemeinsam erarbeitet werden, wie sich Wissen so aufbereiten und darstellen lässt, dass es möglichst adäquat und nicht verfälscht vermittelt werden kann.

Für das Fach Englisch sind in den kommenden Semestern Lehrveranstaltungen geplant, deren Fokus insbesondere auf der Bedeutung von Literatur für den Fremdsprachenerwerb liegt. Im Hintergrund steht die wissenschaftlich gut belegte Annahme, dass literarische Werke als authentische Sprachgebilde sich besonders eignen, um eine Sprache zusammenhängend und sinnerschließend zu erlernen. Der literarische Zugang zu einer Sprache verspricht nicht nur eine lebendige Erfahrung dieser, sondern führt ebenso zu einem tieferen Verständnis von Literatur. Dies gilt für schulische wie für akademische Bildung. Somit sind Kohärenzerfahrungen sowohl zwischen als auch innerhalb der Literaturwissenschaft und Fremdsprachendidaktik zu erwarten.

Lehrveranstaltungen

Mündigkeit kann als übergeordnetes Ziel gesellschafts- und geisteswissenschaftlicher Fächer betrachtet werden. So versteht etwa der Kernlehrplan (KLP) des Fachs Sozialwissenschaften für die Sekundarstufe II „Demokratiefähigkeit im Sinne politischer, sozialer, ökologischer, kultureller und wirtschaftlicher Mündigkeit“, welche an die Entwicklung „sozialwissenschaftlicher Kompetenz“ (Schulministerium 2014b: 16) gebunden wird. Der KLP für das Fach Erziehungswissenschaft geht wiederum davon aus, dass die im Fach geforderte „Selbstreflexion […] in besonderem Maße zu einer dem Ziel der Mündigkeit verpflichteten Persönlichkeitsentwicklung der Schülerinnen und Schüler bei[trägt]“ (Schulministerium 2014a: 13). Die Philosophie gibt Mündigkeit nicht expressis verbis als ihr Ziel an, verwendet jedoch den hier synonym zu verstehenden Begriff der Selbstbestimmung.

Aber was bedeutet Mündigkeit eigentlich? Markiert der Begriff, wie Manfred Sommer bereits Anfang der 1980er konstatiert, eine „Leerstelle, in die verschiedene, ja einander widerstreitende Inhalte eintreten und dann doch den gleichen Namen führen können“ (Sommer 1984: 231) oder handelt es gar um einen „Begriffsleichnam“ (Bernhard 2014: 109)? Um uns dieser Frage im Bewusstsein der historischen Entwicklung des Begriffs „Mündigkeit“ wie seines systematischen Gehalts zu nähern, werden wir ihn bis auf seinen Ursprung zurückverfolgen. Wesentlich ist dabei die in den germanischen Stämmen mit dem Wort „Munt“ bezeichnete „Schutzgewalt, die der jeweils älteste Bruder der Geschwister gegenüber der Familie ausübte“ (Bernhard 2014: 114). Gegen diese noch mit Herrschaft und Abhängigkeit verknüpfte Institution der Mündigkeit entwickelt sich mit der Aufklärung ein Begriff von Mündigkeit als politische Emanzipation und Selbstbestimmung. Paradigmatisch ausformuliert findet sich dies in Kants Aufklärungsschrift, in welcher Mündigkeit – gleichzusetzen mit Aufklärung – ex negativo als „Ausgang aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit“ (Kant 1783: 452) bestimmt wird. Die Aktualität der kantischen Konzeption werden wir anhand zeitgenössischer Anknüpfungsversuche prüfen (Dammer/Wortmann 2014). In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts stellte sich aufgrund der jüngsten historischen Ereignisse das Problem der Mündigkeit der Gesellschaftsmitglieder mit einer neuen Drastik, die einen stärker gesellschaftstheoretischen Zugang nahelegt. In diesem Zusammenhang wollen wir uns mit Perspektiven einer kritischen Theorie der Bildung (Adorno und Heydorn) auseinandersetzen, die den historischen Entwicklungen Rechnung zu tragen versuchen.

Um die Konkretisierung vor dem Hintergrund gegenwärtiger Problemlagen weiterzutreiben, werden wir uns im letzten Drittel des Seminars einem der zentralen thematischen Bezüge der Mündigkeit widmen: der Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE). Hier wird sich zeigen, dass Mündigkeit bei Fragen der Nachhaltigkeit einer Reflexion auf gesellschaftliche Strukturzusammenhänge nicht entbehren kann, will sie nicht auf ein individualistisch verkürztes Konzept bzw. sogar wieder in Unmündigkeit zurückfallen. Deswegen möchten wir übliche Ansätze der BNE für Schule und Unterricht mit Alternativen konfrontieren, die für die Pädagogik der Natur- und Umweltwissenschaften u.a. Peter Euler erarbeitet hat.

Literatur

Bernhard, Armin: Bewusstseinsbildung. Einführung in die kritische Bildungstheorie und Befreiungspädagogik Heinz-Joachim Heydorns. Baltmannsweiler 2014.

Dammer, Karl-Heinz/ Wortmann, Elmar: Mündigkeit. Didaktische, bildungstheoretische und politische Überlegungen zu einem schwierigen Begriff. Baltmannsweiler 2014.

Euler, Peter: Nachhaltigkeit und Bildung. Plädoyer für ein sachhaltiges Verstehen herrschender Widersprüche. In: Jahrbuch Bildung für nachhaltige Entwicklung (2014) 2, Wien, S. 167-74.

Kant, Immanuel: „Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung?“ In: Norbert Hinske (Hrsg.): Was ist aufklärung? Beiträge aus der Berlinischen Monatsschrift. Darmstadt 1981 [1783], S. 452-465.

Ministerium für Schule und Weiterbildung des Landes Nordrhein-Westfalen (= Schulministerium NRW): Kernlehrplan für die Sekundarstufe II Gymnasium/Gesamtschule des Landes NRW: Erziehungswissenschaft. Düsseldorf 2014a. https://www.schulentwicklung.nrw.de/lehrplaene/upload/klp_SII/pa/KLP_GOSt_Erziehungswissenschaft.pdf

Ministerium für Schule und Weiterbildung des Landes Nordrhein-Westfalen (= Schulministerium NRW): Kernlehrplan für die Sekundarstufe II Gymnasium/Gesamtschule des Landes NRW: Sozialwissenschaften und Sozialwissenschaften und Wirtschaft. Düsseldorf 2014b. https://www.schulentwicklung.nrw.de/lehrplaene/upload/klp_SII/sw/KLP_GOSt_SoWi.pdf

Sommer, Manfred: „Art. Mündigkeit.“ In: Joachim Ritter u. Karlfried Günder (Hrsg.): Historisches Wörtbuch der Philosophie. Band 6. Basel 1984, S. 225-236. DOI: 10.24894/HWPh.2622

Adorno ist bekannt für Sentenzen wie "Nach Auschwitz ein Gedicht zu schreiben, ist barbarisch." Ebenso sind Begriffe wie Kulturindustrie oder die Rede von der Dialektik der Aufklärung zu beflügelten Worten geworden, die gern im Feuilleton zitiert werden. In den geistes- und gesellschaftswissenschaftlichen Schulfächern sind es oftmals solche Versatzstücke aus Adornos Philosophie und Soziologie, die als Diskussionsanlass für u.a. historische, anthropologische oder ästhetische Themen genutzt werden. Um eine tiefergehende Auseinandersetzung mit Adornos Denken geht es dabei aber meistens kaum.

Im Seminar wollen wir ausgewählte Materialien zu Adorno in Schulbüchern für die Fächer Philosophie, Pädagogik, Deutsch und Sozialwissenschaften gemeinsam analysieren. Die Unterrichtsmaterialien werden wir hierbei mit Auszügen aus den Originaltexten konfrontieren, um zu verstehen, wo die Herausgeber*innen wohlmöglich eine bestimmte Interpretation oder (Ver-)Kürzung vorgenommen haben, wenn ihnen nicht sogar eine Falschdarstellung unterlaufen ist. Zugleich geht es darum zu verstehen, wann die Gestaltung von Unterrichtsmaterialien als gelungen betrachtet werden kann.

Das Seminar ist damit einerseits als eine Übung in der kritischen Lektüre von Schulbüchern konzipiert. Andererseits soll die interdisziplinäre Aufmachung des Seminars in Adornos Fächergrenzen sprengendes, facettenreiches Denken einführen.

The course is located at the crossroads of second language education, literature, and educational theory. It addresses students who want to become teachers of a (second) language or pedagogy. Our main focuses are:

i) theoretical foundations of language acquisition, literacy, and aesthetic education second language

ii) education through the medium of literature with young, intermediate and advanced learners

iii) literary and theoretical explorations of utopian and dystopian visions (with a particular focus on the role of education in those visions)

i) Language does not only serve a communicative purpose but through language we can understand and experience the world, objectify our own experiences as well as relive and relate to experiences of others. Especially the latter is possible only because of language’s aesthetic qualities. Literacy then can not only mean that one is proficient in reading texts, but can understand – and thereby experience – literary texts in their aesthetical dimensions. Moreover, literacy entails the ability to understand the world’s complex problems through language. In this sense, literacy is critical, i.e. students as well as teachers should be able to understand power relations in a globalized world. In order to convey these aspects of language and literacy to future language teachers, we will read excerpts from Adornos Aesthetic Theory and Freire’s Pedagogy of the Oppressed.

ii) Literature in the second language classroom entails advantages that are seldomly fully recognized and then put into practice in the German school system. Research in second language acquisition (SLA) as well as literacy in general has long emphasized the importance of word play, creative writing and extensive reading not only in regard to language proficiency but also critical thinking. The primary practical aim of this course is therefore to encourage future language teachers to use literature in class already at early stages of learner development. For this purpose, we will be examining more closely the appeal of nursery rhymes and picture books to young learners and discuss the potential of reading children’s classics (e.g. L. Frank Baum’s The Wonderful Wizard of Oz; Ted Hughes’ The Iron Man) as well as graphic novels (Neil Gaiman’s Coraline, Wolves in the Walls) with intermediate learners.

iii) Utopia and Dystopia are topics dealt with in the ‘Oberstufe’, as it is prescribed by the North Rhine-Westphalian curriculum for the English language. Normally, a modern dystopian classic like  Brave New World, Nineteen Eighty-Four or Fahrenheit 451 is read. Instead, we want to explore an alternative: B.F. Skinner’s Walden Two. The novel, vividly outlining a behaviourist utopia, can be critically interrogated through educational theory. This critical reading is supposed to inform a reflection on the possibilities of a didactical implementation of the novel.

Das Seminar richtet sich nicht nur an Studierende der Philosophie, sondern versteht sich als exemplarische Übung in der kritischen Lektüre von Schulbüchern für angehende Lehrkräfte aller geistes- und gesellschaftswissenschaftlichen Fächer. Darüber hinaus kann die Auseinandersetzung mit Kants Moralphilosophie als wichtiger allgemeinbildender Bestandteil moralischer und politischer Bildung von Lehrkräften gelten.

(De-)Professionalisierungsforschung zeigt, dass ohne ein fachlich fundiertes und reflektiertes Studium angehende Lehrkräfte stark dazu neigen, in der didaktischen Auswahl und Aufbereitung von Unterrichtsmaterialien diejenigen Passagen aus einem Originaltext als irrelevant für Unterricht zu klassifizieren, die sie selbst nicht verstehen (vgl. Golus 2017; Althoff/Golus 2017). Dadurch entsteht aber die Gefahr, dass schon im Unterrichtsmaterial der Inhalt nur fragmentarisch und womöglich verzerrt dargestellt wird und dies so von vornherein das Gelingen guten Unterrichts verunmöglicht. Allgemein gilt hierüber hinaus, dass Lehrkräfte ohne eine tiefergehende Kenntnis der Materie ihrer Darstellung in Schulbüchern unmündig ausgeliefert sind – ist es doch im Schulalltag in aller Regel zu spät, um sich eingehender mit dem Thema zu beschäftigen. Dies wird dann besonders problematisch, wenn die Schulbücher selbst ihren Anteil an Originaltexten zugunsten von sogenannten Autorentexten (d. h. Texten der Herausgeber*innen von Schulbüchern) im Zuge der Kompetenzorientierung reduziert haben (Blesenkemper 2017), denn die dort präsentierte Interpretation kann nicht weiter überprüft werden.

Da Immanuel Kant gemeinhin als schwer verständlich gilt, trifft die skizzierte Problematik in besonderer Weise auf eine Unterrichtsreihe zum Vergleich von Utilitarismus und Pflichtethik zu, in der seine Moralphilosophie zurecht als paradigmatische deontologische Konzeption behandelt wird. Angesichts der antizipierten Verständnisschwierigkeiten auf Seiten der Lehrkräfte wie der Schüler*innen mag es daher kaum verwundern, dass beispielsweise in den Zugängen zur Philosophie dazu übergegangen wurde, mindestens so viele Seiten für Dilemmatadiskussionen nach dem immergleichen Schema ‚Konsequenzialismus versus Pflichtethik‘ aufzuwenden wie für die Darstellung der kantischen Position selbst. Solche Entwicklungen sind aber Ausdruck einer Entfachlichung des Philosophieunterrichts, durch die der Anspruch, in der gymnasialen Oberstufe Wissenschaftspropädeutik zu leisten (Stichwort: „allgemeine Hochschulreife“), unterlaufen wird.

Das Seminar verfolgt dagegen das Ziel eines mündigen Umgangs sowohl mit dem Originaltext als auch mit seinen Darstellungen in den derzeit gängigen Schulbüchern für das Fach Philosophie in der gymnasialen Oberstufe. Hierfür gliedert sich das Seminar in drei Phasen:

1. Close reading der Grundlegung zur Metaphysik der Sitten (1785)

2. Kritische Analyse der Darstellung der Grundgedanken und Grundbegriffe Kants in gängigen Schulbüchern

3. Selbständige didaktische Aufbereitung und Anfertigung von Unterrichtsmaterialien zu Kant.

Die Veranstaltung steht im Kontext des Projekts „Kohärenz in der Lehrer*innenbildung“ (KoLBi) und thematisiert die Überschneidungen von englischer Literaturwissenschaft und Bildungstheorie/Bildungsphilosophie im Kontext professionalisierender Lehrer*innenbildung.

Das Seminar teilt sich in vier Phasen:

  1. Die absolut feindliche Welt unter Bedingungen totaler Herrschaft: In Auseinandersetzung mit Hannah Arendts Artikel “Ideology and Terror“ (1953) werden einige Kernelemente Ihres Werks The Origins of Totalitarianism (1951) nachgezeichnet und analysiert. Hierbei steht vor allem das Verständnis einer Welt, die den Menschen, ihrer Lebensweise und ihren Lebensbedingungen gegenüber feindlich geworden ist und in eine Verlassenheit mündet, im Zentrum. Im Kontrast hierzu werden Fragen nach der Zwischenmenschlichkeit und Sozialität von Bildung aufgeworfen.
  2. Der Weltverlust in der Spätmoderne: In dieser Seminarphase wird Arendts Typologie menschlich-praktischer Tätigkeitsformen (arbeiten, herstellen, handeln) einleitend vorgestellt (vgl. The Human Condition, 1958) und mit Bezug auf ihren Text “Tradition in the Modern Age“ (1954) eingehender diskutiert. Es werden Fragen nach der Möglichkeit eines Gemeinsinns in einer entfremdeten Welt sowie der Bedeutung des ‚animal laborans‘ (Arbeitstier) für gegenwärtige Konzepte des Lernens und Lehrens in den Mittelpunkt gestellt.
  3. Bildung/Erziehung und (Un)Zugehörigkeit: In dieser Phase des Seminars werden das Konzept des Außenseitertums in Arendts Aufsatz “The Jew as Pariah: A Hidden Tradition” (1944) sowie ihre Überlegungen zu Generation und Krise in “Die Krise in der Erziehung” (1958) bildungstheoretisch analysiert. Hierbei wird die Bedeutung von (Un)Zugehörigkeit für Erziehungs-/Bildungsprozesse sowie bildungstheoretische Konsequenzen einer harschen Trennung von Pädagogik und Politik thematisiert.
  4. Philosophisch informierte Analyse von Last Ones Left Alive (2019): In der letzten Seminarphase liegt der Fokus auf der philosophisch informierten und literaturwissenschaftlichen Analyse des dystopischen Romans Last Ones Left Alive (2019) von Sarah Davis-Goff. Die zuvor herausgearbeiteten Arendtschen Konzepte werden exemplarisch anhand einiger Szenen des Romans veranschaulicht und weiterreichend problematisiert.

Der ursprünglich aus der Wirtschaftspsychologie stammende Begriff der Kompetenz hat an den Schulen den der Bildung weitgehend abgelöst. Je nach Definition wird Kompetenz dabei so weit gefasst, dass sie nicht nur Wissen und kognitive Fähigkeiten umfassen soll, sondern auch einen konformen Willen, effektive Emotionsregulierung sowie erwünschtes Sozialverhalten. Nur wenn das Subjekt all dies empirisch wahrnehmbar realisiert, so die Annahme, lasse sich davon sprechen, dass es kompetent sei.

Im Seminar sollen Geschichte und Theorie dieses Konzepts nachvollzogen werden mit dem Ziel eines reflektierten Verhältnisses zu gegenwärtigen bildungspolitischen Entwicklungen. Im Fokus steht dabei auch die Gegenwart und praktische Umsetzung des Kompetenzkonzepts in Kernlehrplänen und Unterrichtsentwürfen. In letzteren wurden beispielsweise Lernziele durch sogenannte Stufen des Kompetenzaufbaus ersetzt. So ließe sich fragen, welche Konsequenzen dieser erst einmal terminologische Wandel für Bildung heute hat. Hierbei sollen die lehrerbildenden Fächer möglichst in der Breite und entsprechend der Fächer der Seminarteilnehmer*innen näher betrachtet werden.

Aufgrund der gegenwärtigen Studienbedingungen ist die Veranstaltung als Hybridseminar geplant. Der Ablauf ist in vier Phasen unterteilt:

  1. Phase: Lektüre und Diskussion einschlägiger Texte zu Geschichte, Theorie und Kritik des Kompetenzkonzepts;
  2. Phase: Eigenverantwortliche Arbeit in Kleingruppen zum Kompetenzkonzept in einzelnen Schulfächern (entsprechend der Fächer der Teilnehmer*innen);
  3. Phase: Präsentation und Diskussion der Referate zur Kompetenzorientierung in den Schulfächern;
  4. Phase: Textbasierte Abschlussdiskussion über den Sinn des Kompetenzbegriffs in Schule und Bildung.

Kohärenzerfahrungen sind im Seminar insofern zu erwarten, als es die Möglichkeit bietet, zu verstehen, was heute gemeinhin unter Bildung als „Kompetenz-Bildung“ verstanden wird. Dass es dabei zu Erfahrungen der Inkohärenz zwischen einem als vernünftig erkannten emphatischen Bildungsanspruch und der vorherrschenden, insbesondere auf Flexibilität und Konformität zielenden Gestalt von Bildung heute kommen kann, ist dabei selbst als bildende Erfahrung zu verstehen, insofern Reflexionen über sonst oft in der Lehrerbildung nicht weiter hinterfragte Voraussetzungen angestoßen werden.

Promotionsprojekt

Abstract: Meine bildungsphilosophische und philosophiedidaktische Studie wird von zwei Fragen geleitet: (i) Wie ist Erfahrung in (philosophischen) Bildungsprozessen zu denken? (ii) Was folgt aus dem jeweiligen Erfahrungsverständnis für die Didaktik der Philosophie sowie ihren Unterricht? In der Beantwortung dieser Fragen rekonstruiere ich paradigmatische bildungstheoretische Konzeptionen von Erfahrung, wobei das verfolgte Ziel eine systematische Bestimmung des Erfahrungsbegriffs in der Bildungsphilosophie ist. Die Paradigmata sind: (I) die phänomenologische Bildungstheorie, anhand derer sich einleitend der Problemhorizont der Arbeit entwickeln lässt, (II) Hegels Phänomenologie des Geistes, in der zum ersten Mal Bildung als dialektischer Erfahrungsprozess entwickelt wird, (III) Adornos Theorie geistiger Erfahrung, die versucht, Hegel im 20. Jahrhundert kritisch weiterzudenken, (IV) Deweys pragmatistische Bildungstheorie, in der Erfahrung handlungstheoretisch und utilitaristisch zugespitzt wird und schließlich (V) die derzeit gerade in der Schulbildung hegemoniale Kompetenztheorie, die den Erfahrungsprozess der Bildung als selbstregulierte Problemlösung fasst.

Jedes Kapitel enthält Reflexionen zum Zusammenhang der jeweiligen Erfahrungskonzeption mit Versuchen ihrer didaktischen Umsetzung. Dies geschieht entweder in Form von eigens entwickelten didaktischen Modellen oder in Form einer Darstellung und Beurteilung des Forschungsstands. Im Falle von Hegel und Adorno wird hierbei versucht, ein Desiderat einzulösen, insofern ihr Potential in der Philosophiedidaktik bisher nur vereinzelt wahrgenommen wurde.

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